Samstag, 20. Juli 2013

Und einen Mango-Saft, bitte!

Warum man seinen Arsch bei einer Erkältung im Bett und nicht auf einem Barhocker parken sollte.


Ich bin in vielen Dingen ein Spätzünder. Und ein Tollpatsch. Aber kein spätzündender Tollpatsch, denn wenn ich mich blamiere, dann auf den Punkt genau, mit möglichst viel Publikum.
Um gekonnt unangenehm aufzufallen, verfolge ich unter anderem folgende Strategien: Während der Mittagspause in der Kantine schwungvoll gegen die frisch geputzten Fenster laufen oder beim Flirten in der Straßenbahn mit dem Liebreiz eines Sumo-Ringers das Gleichgewicht verlieren.
Doch zurück zum Spätzünden. Mit dem Studienbeginn setzte bei mir sechs Jahre verspätet die Pubertät ein. Statt für die Informatik-Vorlesungen interessierte ich mich wesentlich mehr für Chemie – die Chemie zwischen zwei Menschen. Süchtig nach dem Hormonen-Cocktail der Verliebtheit, hatte ich nur Augen für potenzielle Traummänner oder -frauen. Ich lebte eine Art Herzblatt-Show, in der meine Freundin und ich ständig neue Kandidaten unter die Lupe nahmen. Semi-psychologisch analysierten wir jede Begegnung, vom ersten Blickkontakt bis hin zu den ungesagten Worten. Schließlich hätte es jedes Mal die große Liebe sein können. Da war Engagement gefordert. Letztendlich habe ich keinen Namen vergessen und jedes Liebesspiel ist in Erinnerung geblieben.


Eines meiner persönlichen Highlights verbinde ich mit Lars – groß, blond, sportlich, freches Lächeln und  Barkeeper in unserer Stammkneipe. Obwohl ich selten ein Blatt vor den Mund nahm, kostete es mich viel Überwindung, einen Typen, den ich toll fand, anzuquatschen. Dank meines bezaubernden und ansteckenden Lächelns – das hatte ich wirklich verdammt gut drauf – ging meistens das Objekt meiner Begierde den ersten Schritt. Hat bei Lars nicht funktioniert. Also nahm ich mir fest vor, ganz "straight" und wahnsinnig selbstsicher nach seiner Telefonnummer zu fragen. Gedanklich spielte ich das Gespräch mehrfach durch und kam zu der Überzeugung, dass nichts schief gehen kann. Nicht einmal leichtes Fieber und eine Erkältung konnten mich von meinem Vorhaben abhalten. Schnell ein paar Tabletten eingeworfen und ab an die Bar. Lars und ich quatschten ein wenig über dies und das, aber die meiste Zeit schlürfte ich an meinem Drink und bereitete mich auf die große Frage vor.

Nach etwa zwei Stunden kam er wieder an meinen Platz: „Kann ich dir noch irgendetwas bringen?“
„Ja.“, war meine Antwort. „Die Rechnung, deine Telefonnummer und einen Mango-Saft, bitte!“. Es war raus. Ich hatte es geschafft.
„Was für ein cooler Spruch.“, dachte ich und sah vor meinem geistigen Auge schon unsere zwei Kinder und unser Haus mit weißem Gartenzaun.
Völlig gelassen sagte er „Okay.“, schrieb seine Nummer auf einen Zettel, brachte mir die Rechnung und natürlich meinen Mango-Saft.

Oh Gott, war das cool. War ich cool. Und er. Und überhaupt. Wow. Selbstverständlich wollte ich mir meine ekstatische Begeisterung nicht anmerken lassen und steckte den Zettel mit einem kessen Lächeln in die Tasche. Die Situation hätte so perfekt sein können. Doch auf der Zielgeraden bekam ich plötzlich spektakuläres Nasenbluten. Es war ungefähr wie in einem Anime-Film, wo ein Typ einem unglaublich heißen Mädchen begegnet und das Blut vor Erregung fontänenartig aus seiner Nase schießt. In meinem Fall lag es weniger an der Erregung, sondern vielmehr an der vorrangegangenen Aufregung in Kombination mit den blutverdünnenden Medikamenten.

Zum Glück lagen einige Servietten in Griffnähe, die ich mir vors Gesicht halten konnte.
„Keine Panik. Alles in Ordnung.“, murmelte ich dem verstörten Lars entgegen und lief zügig zur Toilette, da sich die Erde leider nicht auftat, um darin zu verschwinden.
Als ich irgendwann kein Blut mehr im Kopf und das Malheur einigermaßen in den Griff bekommen hatte, verließ ich die Toilette, die unglücklicherweise kein Fenster zum Hinterhof besaß, Richtung Kneipen-Ausgang. Was hätte ich für Harry Potters Tarnumhang gegeben, denn die Serviette in meiner Nase, brachte meine Schokoladenseite so gar nicht gut zur Geltung.
Im Vorbeigehen lachte Lars mich an und rief mir ein „Bis bald.“ zu, was ich nur mit einem flüchtigen Winken beantwortete.


Draußen angekommen, atmete ich tief durch und begutachtete den Restbestand meiner Würde. Einmal zum Vollhorst machen: Check. Eine Telefonnummer kassiert: Check. Einen vitaminreichen Mango-Saft getrunken: Ebenfalls Check. Es hätte sicherlich schlechter laufen können.
 


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