Freitag, 23. September 2011

MMOG – 4 Buchstaben mit viel Bedeutung

Spätestens seit World of Warcraft unsere Gamer-Welt bereichert hat, wird der Begriff MMOG schon fast inflationär benutzt. Aber was bedeutet MMOG eigentlich und darf sich wirklich jedes Spiel mit diesem Gütesiegel schmücken? Ich bin der Sache auf den Grund gegangen. 
Vermutlich erzählen ich euch nichts Neues, wenn ich sage, dass die Abkürzung MMOG für »Massively Multiplayer Online Game« steht. Etwas freier übersetzt, handelt es sich bei einem MMOG also um ein Spiel, welches von vielen Menschen gleichzeitig über das Internet gespielt wird. Im vergangenen Jahrzehnt wuchs das Interesse an diesem Spiele-Typ enorm und inzwischen scheinen die vier Buchstaben eine Art umsatzsteigernde Plakette zu sein. Doch welche Titel dürfen sich das magische Kürzel tatsächlich auf die Fahne schreiben? Bei dieser Frage gehen die Meinungen weit auseinander. Die eine Seite hat strenge Anforderungen an ein MMOG, wie zum Beispiel eine dauerhaft zugängliche Welt, eine stetige Charakterentwicklung, tiefgreifende Rollenspielelemente und noch einiges mehr. »Alles überflüssiger Schnickschnack.«, meint hingegen die andere Seite, für die lediglich das gemeinschaftliche Zusammenspiel wichtig ist. Diese Debatte ist durchaus berechtigt, denn die Definition des MMOG ist alles andere als einfach. Ein kleines Beispiel zur Verdeutlichung: Aktueller Spitzenreiter in besagter Kategorie ist natürlich World of Warcraft mit etwa zwölf Millionen Anhängern – ein Vorzeige-MMOG wenn es um die reinen Spielerzahlen geht. Aber betrachten wir jetzt den rein hypothetischen Fall, dass sich in ferner Zukunft, auf einem einzigen, einsamen Server die letzten WoW-Helden an einer Hand abzählen lassen. Wird das Spiel dann zu einem MOG, sprich einem »Massively Online Game«?


Der Begriff »Multiplayer« ist recht offensichtlich. Es heißt lediglich, dass mehrere Spieler an einem Spiel teilnehmen. Das bedeutet aber auch, dass Monopoly ebenso wie Unterwasserhockey und World of Warcraft ein Multiplayer-Vergnügen ist. Wenn es darum geht »multi« genauer zu definieren, wird es schon kniffliger. Übersetzen wir das Wort mit »viel«, so handelt es sich um eine unbestimmte, große Menge von etwas, wobei, abhängig von der persönlichen Auffassung, eine sehr große Bandbreite von Mengen erfasst werden kann. Demnach beenden wir dieses Defintions-Scrabble und legen fest, dass drei Spieler schon viele sein können. Somit darf so ziemlich jedes Spiel eine Runde im MMOG-Casting weiter und wir widmen uns direkt dem zweiten Wort: »Massively«. In erster Linie werden aus unseren drei Spielern durch das Massively gleich Tausend, Zehntausend oder sogar Hunderttausend. Allerdings lässt dieser Begriff, im Gegensatz zum »Multiplayer«, viel mehr Platz für Interpretationen. Unabhängig von der Masse der Teilnehmer heißt massiv so viel wie dauerhaft, fest und in Bezug auf die Spielwelt, in der sich unsere virtuellen Ich's tummeln, haben wir einen ganz fundamentales Merkmal der MMOGs aufgespürt: die Persistenz.

Unter einer persistenten Spielwelt versteht man eine virtuelle Spielwelt, die dauerhaft und zu jeder Zeit für den Spieler zugängig ist. Noch entscheidender ist jedoch die Eigenschaft, dass die Welt unabhängig von der eigenen Existenz besteht. Obwohl ihr also nicht eingeloggt seid, ticken die Uhren in den virtuellen Reichen weiter und Ereignisse finden auch ohne euch statt.
Sicherlich schlagen die meisten Rollenspiel-Herzen erst beim Anblick einer riesigen bunten Welt, in der man sich so richtig austoben kann, höher. Aber ganz nüchtern betrachtet, ist schon ein einfacher, virtueller Raum, indem sich Spieler treffen und zusammen schließen können, eine persistente Welt.
Neben der Persistenz ist auch die Konsistenz ein weiterer, wichtiger Punkt, in unserer MMOG-Must-Have-Liste. Da sich alle WoW-Spieler in einer gemeinsamen Spielwelt befinden, muss theoretisch jeder von ihnen eine exakte Kopie von Azeroth besitzen. Diese Kopien müssen untereinander konsistent sein und das heißt, dass eigentlich jede Veränderung der Spielwelt an alle Spieler übertragen werden müsste. Eigentlich. Praktisch ist es bei solchen riesigen Datenmengen, wie im Fall von World of Warcraft, nicht möglich. Darum werden die Daten gefiltert und nur relevante Informationen übermittelt, wobei die Konsistenz weiterhin bewahrt werden muss, beispielsweise darf eure Spielfigur nicht gleichzeitig an verschieden Orten auftauchen. Wie das funktioniert, klären wir später.
 
Besonders die Frage der Charakterentwicklung wird, beim MMOG-Definitions-Versuch, heiß diskutiert. Für viele Spieler gehört der Aufstieg des virtuellen Helden auf der Levelleiter, das Ausstatten mit neuen Gegenständen und das Trainieren der Fertigkeiten zu einem MMOG wie der Sand in die Sahara. Es muss allerdings nicht immer rollenspielhaft angehaucht sein. Second Life bietet zum Beispiel ebenfalls eine Entwicklung des Charakters. Statt durch mutige Kämpfe, wird die Spielfigur durch den Bekanntheitsgrad, Einfluss und wirtschaftlichen Erfolg geformt. Doch ist dieses Merkmal wirklich eine zwingende Grundlage für ein MMOG oder spricht da nur das Herz von alten RPG-Hasen? Ich tendiere zu Letzterem, denn rein theoretisch würden WoW und Co. ganz ohne das mühselige Leveln auskommen. Ihr könntet euch dann direkt von Anfang an mit den Stärksten Kämpfern in Azeroth messen, ohne vorher stundenlang die richtige Talentpunkteverteilung auszuloten. Zugegeben, PvE-Fans würden sich wahrscheinlich sehr schnell von so einer WoW-Variante verabschieden und trotzdem bliebe World of Warcraft ein MMOG.

Während die Anzahl der Spieler, Rollenspielelemente und Charakterentwicklung eher schwammige Beilagen in der MMOG-Rezeptur sind, ist die Technik eine unumgängliche, knallharte Komponente. Damit die Spieler nicht auf dem Trockenen sitzen, muss in erster Linie die Datenübertragung gewährleistet werden. Dazu werden drei verschiedene Möglichkeiten genutzt: Unicast, Multicast und Broadcast. Bei Unicast wird eine Nachricht genau an einen Teilnehmer des Netzwerks geschickt. Ein Broadcast ist hingegen in einem Computernetzwerk eine Nachricht, die an alle Teilnehmer versandt wird. Für Multicast registrieren sich die Benutzer in Multicastgruppen und dementsprechend erhalten alle Teilnehmer der Gruppe die Nachricht.
Mindestens genauso wichtig ist die Netzwerkarchitektur. In den meisten Fälle wird ein Client-Server-Modell verwendet. Der Spielanbieter stellt einen Server oder Servercluster zur Verfügung mit dem die Spieler über das Netzwerk verbunden sind. Dieser zentrale Punkt erleichtert zwar die Kontrolle und den Datenaustausch, ist aber auch gleichzeitig der Flaschenhals für die Leistung und begrenzt die maximale Anzahl an Spielern. Variante zwei ist ein Peer-to-Peer Netzwerk, bei der ein Datenaustausch direkt zwischen den Spielern stattfindet. Obwohl es keinen zentralen Punkt gibt, der die verfügbaren Ressourcen limitiert, wird die Client-Server-Architektur meistens bevorzugt. Durch Peer-to-Peer wird die Kontrolle und damit zum Beispiel die Sicherheit bezüglich Hacking oder Cheating erschwert, da viele Dateneingänge und -ausgänge existieren.


Spiele, die sich zu den MMOGs zählen produzieren riesige Mengen von Daten und eine ungefilterte Weiterleitung an die Spieler würde eventuell ein alles verschlingendes, schwarzes Loch in die Datenleitungen reißen. Spiel-Informationen werden demzufolge nach Relevanz für den Spieler gefiltert ohne die Konsistenz zu verlieren. Gegenstände, Monster und NPCs in unmittelbarer Umgebung des Spielers sind natürlich wichtig, während beispielsweise Bewegungen von anderen Spielern außerhalb des Sichtradius vernachlässigt werden können. Für die Umsetzung wird häufig das Aura-Nimbus-Modell genutzt. Die Aura beschreibt den Bereich, in dem ein Objekt wahrgenommen werden kann und der Nimbus steht für den Teil, den das Objekt selbst wahrnimmt. Letzteres entspricht beispielsweise dem Blickfeld eines Spielers. Um die Filterung weiter zu verbessern und die Datenleitungen zu schonen, plant man Hindernisse sowie Distanzen mit ein. Lauft ihr zum Beispiel an einem Gebäude vorbei, könnt ihr Gegenstände, die sich hinter der Wand befinden nicht sehen. Also kann es euch auch völlig egal sein, wenn sich diese Gegenstände verändern. Ihr erhaltet sinnvollerweise keine Informationen über die Geschehnisse im Inneren des Gebäudes nicht informiert werden. Darüber hinaus ist es sinnvoll die Distanz zu Objekten einzuberechnen. Eine Kiste hinter einem Baum in der Nähe wäre zwar nicht sichtbar, allerdings schnell erreichbar.
 
Wir haben den Begriff MMOG nun ausführlich auseinandergenommen, jeden Buchstaben von allen Seiten beleuchtet und das Für und Wider abgewägt. Doch was bleibt am Ende von unserem Wort-Geschnetzel übrig? Eine kurze Definition natürlich. MMOGs bieten mehreren Spielern die Möglichkeit, sich gemeinsam in virtuellen Universen auszutoben. Die Anzahl der Spieler ist dabei beliebig, solange es technisch umsetzbar ist, mehreren hundert bis tausend Spielern gleichzeitig den Zugang zu gewähren. Somit haben wir auch eine Antwort auf unsere philosophisch-hypothetische Frage zu Beginn unser Definition: World of Warcraft bleibt ein MMOG bis die letzten Kontrolllämpchen der Server ausgehen, unabhängig davon wie viele Hordler und Allianzler sich noch in Azeroth bekämpfen. Weiterhin muss die Spielwelt dauerhaft ohne jegliche Pause- und Speicherfunktionen bestehen.
Mit einer solchen Definition können und dürfen sich wahnsinnig viele Spiele als MMOG bezeichnen. Allerdings nur wenn sie auf das Anhängsel RPG verzichten, weil an dieses Kürzel weitere Merkmale und ein neue Begriffserklärung gebunden sind – eine Kopfnuss, die zu einem späteren Zeitpunkt nicht ungeknackt bleiben soll.

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