Donnerstag, 19. September 2013

Nackte Tatsachen

Mein Arsch ist keine Himbeere und mein Körper auch kein Tempel - eher eine Art Pommes-Bude oder so etwas wie ein Wohntrailer für meinen tollen Charakter. Es ist nicht so, dass ich alle Spiegel in unserer Wohnung verhängen muss, weil ich meinen eigenen Anblick nicht ertrage. Nein, das wäre wirklich übertrieben. Mein Körper und ich sind im Laufe der Zeit wirklich gute Freunde geworden und meine Problemzone beschränkt sich auf den Bereich oberhalb der Knie bis unterhalb der Brüste. Da gibt es immerhin noch mindestens 33 Prozent, denen ich auf jeden Fall Top-Noten geben würde. Und der gesamte Rest kann als wandelnde Warenauslage für diverse Textilien akzeptabel verhüllt werden.


Wie komme ich nun auf dieses äußerst heikle Thema? Die unerwartete Begegnung mit der fremden Nacktheit. Auslöser war das Team-Event, welches regelmäßig von meinem Arbeitgeber organisiert wird. Bei besagtem Ereignis stand Rafting auf der Tagesordnung. "Coole Sache.", dachte ich mir und erschien als absolute Paddel-Jungfrau freudig gespannt am Treffpunkt.
Das erste Highlight konnte ich bei der Ausgabe der Neoprenanzüge vermerken. In einer kurzen Einweisung wurde uns mitgeteilt, dass wir keine Kleidergrößen angeben müssen, da die Mitarbeiter den ultimativen Größen-Scan-Blick beherrschen. In meinem Fall funktionierte er wirklich fantastisch. (Vorab: Ich trage gewöhnlich Konfektionsgröße 42, wenn es blöd läuft auch mal eine 44). Während die Mitarbeiterin bei meinen Kolleginnen einen Neoprenanzug von einem der vor ihr liegenden Stapel nahm, verschwand sie bei mir, ging zu den Männerstapeln, kam zurück und brachte mir einen Herren-Neoprenanzug in Größe 54. Selten hatte etwas so laut "Fette Kuh" geschrien, wie dieser Moment.

Mit einem tiefen Seufzer auf den Lippen und der gummiartige Wahrheit über meinen Körper in der Hand machte ich mich auf den Weg zur Umkleidekabine. Die Zahl 54 beherrschte noch immer meine Gedanken und ich versuchte mit meinen Händen imaginär das abzumessen, was ich bis vor fünf Minuten für eine Größe 54 hielt. Ich war ganz klar traumatisiert, beschloss jedoch das Thema zu vergessen, indem ich das Positive hervorhob: Anstatt wie alle anderen das Anziehen des Neoprenanzugs schon als ersten sportlichen Einsatz zu verbuchen, konnte ich ganz locker in meine unglaublich legere Rafting-Bekleidung schlüpfen.
Während ich von tief erschüttert langsam wieder auf dem Weg zu freudig gespannt war, rollte ganz unbemerkt der nächste körperbetonte Schock auf mich zu. Es gab keine Einzelkabinen. Damit hatte ich - warum auch immer - nicht ansatzweise gerechnet. Unendlich froh darüber, dass ich ausschließlich schwarze Unterwäsche trage und somit oben immer zu unten passt, versuchte ich mich möglichst unauffällig umzuziehen: Oberteil aus, T-Shirt an, Hosen runter, legeren Neoprenanzug an. Geschafft.

Es folgte eine Stunde mit paddeln, schreien, lachen, Unmengen an Wasser schlucken und mindestens zweimal fast ertrinken.
Völlig außer Puste steuerte ich nach dem Rafting die Umkleide an, wurde jedoch von einem Mitarbeiter gebeten, den Neoprenanzug direkt auszuziehen. Auf der Terrasse. Gut sichtbar für interessierte Besucher und alle anderen Rafting-Begeisterten. Tolle Idee. Hatte ich schon erwähnt, dass ich über meiner schwarzen Funktionsunterwäsche ein weißes - mittlerweile klitschnasses - T-Shirt trug? Da mir keine andere Wahl blieb, schlüpfte ich in Windeseile aus meinem Anzug und ging schnellen Schrittes zur Umkleidekabine.


Das Team-Event sollte mit einem Abendessen enden und duschen war für mein eigenes Wohlbefinden unumgänglich. An dieser Stelle brauche ich wohl kaum zu schreiben, dass es nur Gemeinschaftsduschen gab. Ich hatte also die Wahl, mich selbstbewusst wie eh und je mit meinem Pommes-Buden-Körper zu meinen nackten Kolleginnen unter die Brause zu stellen oder mich angezogen zu waschen. Letzeres fand ich nach einer kurzen Überlegung zu auffällig. Also sah ich der entblößten Wahrheit ins Gesicht, ging duschen und konnte anschließend meinen Körper endlich wieder mit Kleidung in meiner Größe verhüllen.

Obwohl ich wirklich Spaß hatte, war mir dieses Erlebnis zugegebenermaßen etwas zu viel "Team-Event". Doch bis zum nächsten Mal werde ich es sicherlich geschafft haben, meiner Außenfassade einen traumhaften Kleidergröße-38-Anstrich zu verpassen und kann mich dann völlig frei von jeglicher Scham in die Gemeinschaftsumkleide stürzen. Pustekuchen! Fitness, Diäten, Waxing, Bleaching, Peeling und Co. passen ungefähr so gut zu mir wie der Sonntags-Gottesdienst zum Antichrist. 

Fazit: Es würde mir sehr entgegenkommen, wenn ich mich bei der nächsten Veranstaltung nicht ausziehen muss - wenn wir quasi den Fokus auf die inneren Werte legen. ^_^
 

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