Freitag, 23. September 2011

Der Stoff aus dem die Helden sind

Sie sind das Salz in der Gamedesign-Suppe, hauchen Spielen Leben ein und schaffen eine Verbindung zwischen der virtuellen und realen Welt: Helden. Doch was macht die Helden auf dem Monitor eigentlich aus?



Als Held bezeichnen wir in der Regel eine Person mit besonderen Eigenschaften oder Fähigkeiten, die sie zu außergewöhnlichen Taten befähigt. Meist sind es Männer (selten Frauen), die optisch einiges her machen und für bestimmte Ideale oder andere Menschen, unter Einsatz ihres Leben, kämpfen. Die Wurzeln der Helden-Figur führen zurück bis in die Antike. In den Sagen und Überlieferungen konnte der werdende Held oder Heros seine ruhmreiche Karriere sogar als nichtsnutzige Mittelalter-Couch -Potato beginnen. Entscheidend war nur, dass er früher oder später etwas Heldenhaftes vollbrachte. Immer wieder gern gesehen, war die klassische Rettung der Jungfrau in Nöten. Oft entspricht ein Held auch der Definition dessen, was in der jeweiligen Kultur als vortrefflich gilt.

Videospiele ohne Helden wären wie ein Regenbogen im Schwarzweiß-Film: irgendwie sinnlos. Doch zu wahren Heroen werden die Pixel-Figuren nur, wenn der Spieler siegreich bis zum Ende durchhält und der Abspann über den Bildschirm flimmert. Dementsprechend müssen wir – als Herr über Maus und Tastatur (wahlweise auch Controller) – eine gewisse Sympathie für den Protagonisten eines Spiels empfinden. Erst die Geschichte hinter den heldenhaften Recken macht es möglich, sich mit ihnen zu identifizieren. Sehr beliebt ist dabei die Überraschungs-Variante: Der Hauptakteur, oft ein Charakter wie du und ich, hat bis zu dem  Tag, als ihn das Schicksal zum Helden macht, gar keine Ahnung von seiner Bestimmung. Wir erinnern uns an Beispiele wie Link, der ganz unerwartet losziehen muss, um Prinzessin Zelda zu retten oder Gordon Freeman aus Half-Life, der plötzlich gegen Horden von Kreaturen aus einer anderen Dimension kämpfen muss, weil ein Experiment schief gelaufen ist. Es fällt uns Spielern leicht, in diese Rolle zu schlüpfen, denn rein theoretisch könnten uns ähnlich verrückte Dinge passieren. Vielleicht entdeckt ihr morgen den Zugang zu einem Parallel-Universum, die CIA macht euch zu ihrer neuen Geheimwaffe oder eine sprechende Katze erzählt euch, dass ihr die Mondprinzessin seid. Wie dem auch sei, nach einer schicksalhaften Fügung beginnt das virtuelle Abenteuer und die damit verbundene Helden-Karriere. Mit vollem körperlichen Einsatz, jeder Menge Charme und einer ordentlichen Portion Intelligenz meistert der Teufelskerl auf dem PC-Bildschirm alle schwierigen Herausforderungen und entspricht somit der allgemeinen Definition eines echten Helden.

In den vergangenen Jahren wurde der Held vom Typ Prinz-Charming jedoch zunehmend uninteressanter. Das Sauberman-Image verliert schon nach wenigen Minuten seinen Reiz. Stattdessen besitzen aktuelle Protagonisten mehr Tiefe als ein Fingerhut. Sie passen nicht ins klassische Helden-Schema, verbergen die ein oder andere Leiche im Keller und man könnte fast meinen, sie gehören der fiesen Fraktion an. Agent 47 aus Hitman beispielsweise, ist alles andere als ein Gutmensch. Gegen Geld tötet er, ohne mit der Wimper zu zucken. Duke Nukem, aus der gleichnamigen Spiel-Reihe, trägt ebenfalls keine reine Weste, denn er zelebriert rohe Gewalt, bringt einen Macho-Spruch nach dem anderen und sein bester Freund ist der Alkohol. Aber warum sympathisieren wir trotz dieser fragwürdigen Moralvorstellungen mit diesen und ähnlichen Anit-Helden? Prof. Dr. Fritz ist Sozialwissenschaftler am Kölner Institut für Medienforschung und Medienpädagogik und erklärt das Phänomen folgendermaßen: »Der Spieler verkörpert im Spiel die Anteile des eigenen Ichs, die er im realen Leben nicht spielen möchte oder kann.« Dieses Streben könne man auf ein Urbedürfnis zurückführen: »Menschen wollen ihre Persönlichkeit weiterentwickeln. Games schaffen den nötigen Spielraum dafür. Hier lassen sich Grenzen überschreiten, man erhält sogar Anerkennung dafür. Das gilt sowohl für den bösen als auch für den guten Helden.«

Egal ob mit guten oder schlechten Eigenschaft, eine Figur kann nur zum Helden werden, wenn sie eine Motivation dazu hat. Super Mario wäre schließlich nur ein unbekannter Klempner, wenn es nicht Prinzessin Peach – die Jungfrau in Nöten – gäbe, die er retten muss. Häufig ist es auch die Motivation, die einem Anti-Helden unsere Sympathie einbringt. So schlägt hinter der rauen Fassade von Kratos (God of War), der alle tötet, die ihn an seiner Vergeltung hindern wollen, das große Herz eines Familienvaters. Ähnlich ergeht es Max Payne, der nach der Ermordung seiner Familie in eine tiefe Lebenskrise stürzt. Mit dem unbändigen Verlangen nach Rache tötet er sich bis zur Wahrheit durch. Im Mittelpunkt steht dabei nicht der Akt der Tötung, sondern viel mehr das ergreifende Schicksal von Max Payne. Darüber hinaus brauchen Helden einen Widersacher. Es ist das personifizierte Böse, was dem Helden einen Grund gibt, ein eben solcher zu werden. Einer der berühmtesten Gegner ist Sephiroth aus Final Fantasy XII. Durch die tragische Offenbarung aus einem Experiment entstanden zu sein, setzte er seine übermenschlichen Kräfte für das Böse ein und gab den Helden des Spiels somit eine Daseins-Berechtigung. In Spielen ist es eben wie im echten Leben: Erst in der Dunkelheit kann das Licht existieren und Helden erstrahlen lassen.


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